Indien ist für mich ein Land der Gegensätze. Ich beschränke mich heute auf das Wetter. Nach einem schönen Herbst mit mäßig warmen Tagen und einem für alle völlig überraschenden gewaltigen Gewitterregenschwall am 3. Oktober, der unseren Empfang zum Wiedervereinigungstag in der Botschaftsresidenz komplett unter Wasser setzte (und unser Wohnzimmer dazu), empfing uns sehr spät die beginnende Luftverschmutzung. Erinnert Ihr Euch noch an die Fotos, in denen unsere Bundeskanzlerin am 1. November tapfer ohne Mundschutz im fast undurchdringlichen Smog die Militärparade zu ihren Ehren in Delhi abnahm? Wir waren klugerweise in dieser Zeit in Bangladesch und Nepal und wurden einigermaßen verschont. Zurück in Delhi empfing uns schönstes Wetter mit traumhaften Feinstaubwerten. Das Wetter hatte gewechselt und die drakonischen Maßnahmen der Regierung griffen.
Aus Mail online vom 1.11.19. Foto: EPA
Es wurde kalt im Dezember. Das ist immer so. Wir hielten durch: ohne Heizung mit vielen Decken und Wärmflasche nachts. Tagsüber im Büro mit Wolldecke und Winterjacke, eine heiße Wasserflasche auf dem Schoß trotzten wir auch den kühlen 13 Grad im Zimmer.
Im Mai wurde es heiß. Die Sonne scheint immerhin eineinhalb Stunden länger als Ende Dezember und steht höher. Die trockene heiße Luft hat vor einer Woche richtig zugeschlagen. Am Dienstag, 26. Mai wurde mit 46 Grad in Delhi der heißeste Tag seit 18 Jahren gemessen. Was für ein Unterschied zu 13 Grad im Dezember! Unvorstellbar. Nachts blieb das Thermometer bei 30 Grad stehen. Und wir?
Die Aircon im Schlafzimmer kämpfte sich nachts immerhin bis auf 28 Grad herunter. Erträglich zum Schlafen. Morgens war das kalte Duschwasser so warm wie aus dem Boiler im Winter. Nachmittags habe ich in der Küche das kalte Wasser gemessen: 41 Grad. Es kommt als Fallwasser aus großen schwarzen Wasserbehältern von der Dachterrasse. Die schwarze Arbeitsplatte aus Stein in der Küche war heiß. Der Motor des Kühlschranks war im Dauerbetrieb. Lag die Luftfeuchtigkeit am Morgen noch bei 40 %, ging sie tagsüber auf trockene 14 % zurück. Im Büro und im Esszimmer blieben wir hart wie im Winter – doch anders herum: Nur der Fan wedelte uns die heiße Luft einigermaßen erträglich um die Ohren. Trinken, trinken, trinken und vor lauter Schwitzen mussten wir kaum aufs Klo. Doch so funktionierte unsere körperliche Wärmereduktion perfekt. Hertas Unterarm war richtig kühl.
Auf dem Balkon installierten wir eine Stoffplane, die die Hitze im Wohnzimmer etwas dämpfte. Nur abends kurz vor Sonnenuntergang drehten wir auf der Dachterrasse unsere Runden, um in Bewegung zu bleiben und auf die 10.000 Schritte zu kommen. Nach dem Abendessen zogen wir uns ins Gästezimmer zurück zur Fernseh-Krimizeit mit Global TV. Doch die Aircon war dort so unsäglich laut und ging immer wieder aus, dass wir schließlich ins Schlafzimmer – leider ohne Couch – wechselten und dort auf diese Weise die Luft schon mal vorkühlen konnten. Dann ging eines morgens auch dort die Aircon kaputt. Doch der Service kam rechtzeitig und abends waren wir wieder im wohlig Kühlen.
Seit Donnerstag ist es erträglich geworden. Eine Gewitterfront setzte der Hitzewelle ein Ende. Erträgliche 35 Grad tagsüber und nach wiederholtem Regen waren es heute Morgen sogar nur 22 Grad frisch. Da kann man nicht meckern, auch wenn sich heute der Pfingstsonntag Nachmittag mit einem Gewitter in Szene setzt. Wir dürfen eh nicht raus wegen des Lockdown und genießen die frische Luft. Gleich machen wir eine Flasche Sekt auf. Prost Pfingsten! Prost heiliger Geist! Du hältst uns auch innerlich frisch.
Aus einer Flasche machen wir vier Gläser „Dünnbier“ gegen den Durst Prost Pfingsten!