Shoah

Am 24. Februar lief im Goethe Institut Delhi der neunstündige Dokumentarfilm „Shoah“ von Claude Lanzmann. Er liefert die wohl umfassendste filmische Dokumentation über den dunkelsten Fleck in der deutschen und europäischen Geschichte: die Planung und Durchführung der sogenannten „Endlösung der Judenfrage“. Elf Jahre, von 1974 bis 1985, brauchte der französische Regisseur, um weitgehend alle Orte der Verfolgung und Vernichtung der Juden und anderer zu „Volksfeinden“ erklärten Gegner des Nationalsozialismus zu besuchen. Er interviewte auch viele Zeitzeugen und Überlebende der Shoah.

Einen der vier Teile des Dokumentarfilms schaute ich mir an. Er schildert die Anfänge im Lager Treblinka, in dem in der ersten Phase so viele Menschen umgebracht wurde, dass die Leichen gar nicht so schnell verbrannt werden konnten und das Lager entsetzlich nach Verwesung stank. In einem weiteren Abschnitt schilderte ein Zeitzeuge, wie der Lagerkommandant von Auschwitz, als die ersten Züge mit Juden anrollten, eine Strategie vorführte, die ängstlichen Ankommenden erst in Hoffnung auf Arbeit zu wiegen, ihr Vertrauen zu erschleichen, um sie sich dann ausziehen und ihr Gepäck vor der Gaskammer stehen zu lassen. Anstatt gereinigt zu werden, wurden sie in der Gaskammer umgebracht. „Seht ihr, Kameraden, so muss man mit den Leuten reden“, riet der Kommandant den anderen Soldaten.

Ausführlich schilderte Lanzmann die Vernichtung von jüdischen Mitbürgern aus polnischen Dörfern. Sie wurden in ein Dorf (den Namen habe ich vergessen) in eine Kirche verbracht und von dort tagsüber und auch nachts mit besonders konstruierten Saurer-Lastwagen in einen naheliegenden Wald gefahren. Während dieser Fahrt wurden die im LKW Eingeschlossenen durch die Abgase des LKW erstickt, die in die Kabine geleitet wurden. Im Wald wurden sie in großen Öfen verbrannt. Wer noch lebte, verbrannte lebendig.

Lanzmann befragte die älteren Bewohner des Dorfes, die als Kinder oder Jugendliche diese Vernichtung mit angesehen hatten. Diese Art der Vernichtung konnte gar nicht geheim gehalten werden, wie man es in den großen KZs versuchte. Die jüdischen Familien, die mit der polnischen Bevölkerung zusammen wohnten, beschrieben die Familien als reich, in der Regel reicher als die Polen, und deren junge Frauen als begehrenswert auch für die polnischen Männer. Schließlich fragte Lanzmann die zu einem Fest vor der Kirche versammelten Gläubigen nach ihrer Meinung, warum ihre jüdischen Nachbarn vernichtet wurden.

Sie wunderten sich, dass die Juden so ohne Widerstand sich haben abführen lassen. Nur die Angstschreie seien immer wieder zu hören gewesen. Ein Mann trat vor und erzählte eine Geschichte, die er von einem Verwandten aus Warschau gehört hatte. Dort habe der Rabbi vor den von den Nazis zusammengetriebenen Juden gesagt: „Vor 2000 Jahren wurde Jesus von Pilatus verurteilt. Wir hätten Barabbas verurteilen lassen können, doch wir wählten Jesus und unsere Vorfahren riefen: Sein Blut komme über uns und unsere Kinder. Seht, deshalb müssen wir jetzt gehen.“ Die Schuld der Juden an der Verurteilung und am Kreuzestod von Jesus Christus wurde auch von anderen aus der Gruppe als Grund für die Vernichtung angeführt. Dies erschütterte mich.

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