Erstaunlich, wie Christian Fürchtegott Gellert, Dichter und Moralphilosoph der Aufklärung, vor 267 Jahren die schwere Kost der Leidensgeschichte von Jesus Christus deutet. Ein Lied macht er daraus, geschrieben als eine betende Betrachtung. Im Evangelischen Gesangbuch ist es als Lied Nr. 91 zu finden.
1. Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken,
Was Jesus Christus auf sich genommen hat –,
das in mich aufzunehmen, dazu brauche ich Kraft.
mich in das Meer der Liebe zu versenken,
die dich bewog, von aller Schuld des Bösen
uns zu erlösen.
Was war der Grund von Jesus, so zu leiden?
Es geht nicht darum, Gottes Zorn zu besänftigen.
Liebe ist sein Motiv, ja, ein ganzes Meer der Liebe –
Liebe ohne Ende. Diese Liebe Gottes umfängt mich.
Das Ziel: uns Menschen herauszuziehen
aus unserer Schuld und aus der Macht des Bösen.
2. Vereint mit Gott, ein Mensch gleich uns auf Erden
und bis zum Tod am Kreuz gehorsam werden,
an unsrer Statt gemartert und zerschlagen,
die Sünde tragen
Jesus – Gott und Mensch – ein und derselbe,
begibt sich hinein in Folter und Verbrechertod am Kreuz.
So trägt er unsere Schuld. Unsere Schuld?
Was würden die Menschen des globalen Südens
mit uns machen, wenn sie die Macht hätten?
Menschen, die unter unserem so selbstverständlichen Wohlstand leiden:
Kinder in den Bergwerken, die Rohstoffe für unsere Handys schürfen,
Bauernfamilien, denen ihr Land genommen wurde
um Rinder für unsere Steaks weiden zu lassen,
die Kleinbauern, die jetzt schon unter dem Klima karge Ernten haben,
das seit 200 Jahren Industrialisierung verändert wurde.
3. welch wunderbar hochheiliges Geschäfte!
Sinn ich ihm nach, so zagen meine Kräfte,
mein Herz erbebt; ich seh und ich empfinde
den Fluch der Sünde.
Gellert lässt die Schuld an sich heran.
Erkennt den Fluch, dem wir unterworfen sind.
Diese Erkenntnis hebt ihn aus seinen so sicheren Angeln.
Doch er er sieht auch , was hinter diesem Fluch aufleuchtet:
Jesus Christus nimmt diesen Fluch der Sünde auf sich.
Stellvertretend – und befreit uns davon.
4. Gott ist gerecht, ein Rächer alles Bösen;
Gott ist die Lieb und lässt die Welt erlösen.
Gott: gerecht und Rächer alles Bösen?
Ein unangenehmer Gedanke für die, die Gott nur lieb denken.
Ja, Gott lässt Unrecht nicht durchgehen.
Wir kennen ihn als den, der deswegen
Kriege, Vernichtung und Katstrophen nicht scheut.
An Ostern geht er andere Wege.
Gott ist nicht lieb – er ist die Liebe,
und die geht so weit, dass er in Jesus Christus
die Welt aus ihrem Fluch des Unrechts und des Bösen erlösen lässt.
Dies kann mein Geist mit Schrecken und Entzücken
am Kreuz erblicken.
Ja, wir sind des Todes würdig,
aber Gott rächt, indem er selbst unsere gerechte Strafe auf sich nimmt.
Gellert ist erschrocken und entzückt zugleich darüber. Und wir?
8. Ich will nicht Hass mit gleichem Hass vergelten,
wenn man mich schilt, nicht rächend widerschelten,
du Heiliger, du Herr und Haupt der Glieder
schaltst auch nicht wider.
Hassbotschaften, Shitstorm im Netz ertragen,
darüberstehen oder verklagen;
deeskalieren schlägt Gellert vor.
Gescholten werden – prüfen, ob zu Recht. Wenn zu unrecht,
dann nicht selbst Lügenbotschaften in die Welt setzen.
Jesus ertrug Hohn und Spott am Kreuz,
er, der das Haupt unserer Kirche ist.
Gellert zieht in Strophe 8 Konsequenzen
aus seiner Betrachtung des Leidens Jesu.
Was erkennst Du für Dein Leben im Leidensweg von Jesus?
Ich wünsche Dir eine besinnliche Karwoche
und ein fröhliches Osterfest.
Hier noch das Video mit dem Lied von Gellert, vorgetragen von Detlef Korsen 2020 in der Martin-Luther-Kirche in Seckenhausen (Stuhr).
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Namaste aus Delhi,
herzlichen Dank für deine Interpretation.
Eine gesegnete Karwoche!