1700 Jahre jüdisches Leben bei uns

Der römische Kaiser Konstantin verfügte im Jahr 321, dass für den Stadtrat von Köln auch Juden zugelassen wurden. Juden lebten schon vor diesem Datum in den römischen Kastellen und Städten Germaniens. Doch dies ist die erste urkundliche Erwähnung jüdischen Lebens in Deutschland. Dieses Jubiläum sollten wir nutzen, um den Reichtum und die Vielfalt jüdischer Kultur zu entdecken und mit jüdischen Gemeinden und Kultureinrichtungen zu feiern. Dieser Artikel soll mein Beitrag dazu sein.

Christentum und Judentum brauchen einander

Warum ist es wichtig, dass wir uns mit jüdischer Kultur beschäftigen, jüdische Gemeinden und jüdisches Leben in Deutschland heute schützen? Weil dies dem Überleben des Christentums in Deutschland dient. Aufgerüttelt hat mich der prophetische Satz der Berliner Theologin und Lehrerin Elisabeth Schmitz unter dem Eindruck des Novemberpogroms 1938: „Ich bin überzeugt, dass – sollte es dahin kommen – mit dem letzten Juden auch das Christentum in Deutschland verschwindet. Das kann ich nicht beweisen, aber ich glaube es.“ Die Kirchen und führenden Theologen haben im Dritten Reich und lange danach geschwiegen zu der Deportation und Vernichtung der Juden und des jüdischen Lebens im Deutschen Reich. Erst seit den Achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts bemühte sich zunächst die Synode der Rheinischen Kirche und Papst Johannes Paul II. von den Juden als älteren Geschwistern zu reden. Die Schuld der Kirchen an der Judenvernichtung wurde benannt und eingestanden, das Schweigen gebrochen, indem Kirchen und Gemeinden auf das langsam wieder aufblühende Leben jüdischer Gemeinden zugingen. Seither gibt es Gesellschaften für jüdisch-christliche Zusammenarbeit.

Über jüdisches Leben und jüdische Kultur informieren

Deshalb darf die Beschäftigung mit dem Judentum in Schulen und in Gesprächen sich nicht auf die barbarischen Jahre zwischen 1933 und 1945 beschränken. Gewiss, die Shoa muss weiter Thema bleiben in Richtung auf ein „Nie wieder!“ Jüdisches Leben muss heute vor gewaltsamen Übergriffen geschützt werden. Dem wieder offen zu Tage tretenden Antisemitismus treten wir am ehesten mit Information über jüdisches Leben und jüdische Kultur entgegen, indem wir die Persönlichkeiten aus Literatur und Wissenschaft entdecken, die aus dem Judentum unsere Kultur in Deutschland geprägt und beschenkt haben. Susanne Breit-Kessler, die ehemalige Regionalbischöfin von München und Oberbayern, zählt in ihrem Beitrag „Massel mit der Shakshuka“ im Münchner Merkur vom 9. 1. 2021 eine ansehnliche Reihe auf: Rose Ausländer, deren Lyrik auch in christlichen Büchern nicht wegzudenken ist; dazu aus dem 19. Jahrhundert Heinrich Heine, später Franz Kafka, Stefan Zweig, Elke Lasker-Schüler und der bissige Kurt Tucholsky. Viele andere wären zu nennen.

https://www.merkur.de/bayern/massel-mit-der-schakshuka-kolumne-von-susanne-breit-kessler-90161909.html

Da Susanne Breit-Kessler leidenschaftliche Köchin ist, erwähnt sie auch Beispiele aus der jüdischen Küche: Falafel, Schnitzel und Strudel dürften am bekanntesten sein. Und schließlich nicht zu vergessen, wie auch das Jiddische in unserem Sprachalltag zu finden ist: Manchmal bin ich ganz meschugge, wenn ich bei jemand etwas vermasselt habe. Der wird hoffentlich nicht Tacheles mit mir reden. Und wenn wir uns „Hals und Beinbruch“ wünschen, dann meint es: Hals und Bein mögen gesegnet sein von baruch – segnen. Sicher kennst Du das Pesach-Fest, die Feier der Befreiung aus der Knechtschaft in Ägypten, das mit unserem Osterfest engstens zusammenhängt. Und vielleicht hast Du auch schon was gehört von dem Chanukka-Fest kurz vor oder zu unserem Christfest, bei dem wir unsere Mischpoke besuchen müssen. Es ist auch ein Lichterfest und feiert die Wiedereinweihung des Tempels in Jerusalem. Und nun wünsche ich Dir Schalom!

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