Lockdown – Chance für Pflanzen

Lockdown in Indien: Seit fünf Wochen fahren keine Züge, keine Taxis, keine Metro mehr, die Menschenmassen transportieren. Kein Heer von Autos, die hupend und stinkend die Straßen verstopfen, keine Industrie mit ihren Abgasen; statt alle drei Minuten starten und landen nur noch ein Dutzend Flugzeuge täglich. Das öffentliche und private Leben ist runtergefahren auf ein Minimum. Dieser Rückzug des Menschen tut dem Klima und den Pflanzen gut.

Seit Wochen freuen wir uns über die guten Luftwerte der Messstation in der Nähe von Vasant Vihar. Werte von Feinstaub unter 100 (gelber Bereich) oder unter 50 (grüner Bereich) ist keine Seltenheit mehr, sondern die Regel. Delhi, sonst eine der Städte mit der größten Luftverschmutzung, kann auf einmal mit Singapur mithalten und kommt manchmal sogar an die Werte von München heran.

Im Blumenpark drei Wohnstraßen weiter am Gurdwara der Sikh-Gemeinde, schlenderten wir an Streifen von Löwenmäulchen und Stockblumen vorbei. Angesichts der Dahlienbüsche kamen wir uns vor wie in Deutschland im Frühsommer. Als wir unserer Enkelin Stella – Vater Inder, Großeltern wohnen im alten Delhi, jedes Jahr bei ihnen zu Besuch – diese Blumenpracht zeigten, sagte sie: „Das ist nicht Delhi, das ist Deutschland!“

Ebenso unser Park gegenüber. Leider war er seit Beginn des Lockdown am 25. März geschlossen, doch von außen bestaunten wir die prallen Bouganivillea-Büsche, die Tagetes-Blütenreihen und verschiedene Lilienarten. Ab dem frühen Abend verströmt das weiße Blütenmeer zweier Bäume bei unserem Nachbarn zu Rechten seinen Duft. Die vielen violetten Blüten des sonst blattlosen Baumes links an unserer Dachterrasse waren nur kurz zu sehen und nur einmal zeigten sie sich so deutlich, weil eine dunkle Gewitterwolke den Hintergrund bildete. Jeden Abend zieht eine kreischende Papageienherde über uns hinweg zu ihren Schlafplätzen im großen Park am Vasant Lok Einkaufszentrum.

Weil wir nicht mehr auf die Straße können zum Spazierengehen, haben wir unsere abendlichen Runden auf die Dachterrasse verlegt. Wir atmen den Duft der Blüten, genießen den auffrischenden Abendwind, bestaunen die Vogelvielfalt an Schwarzkrähen und Dohlen, Papageien und Tauben, Haubenfinken und zutraulichen Gelbschnäbeln und verfolgen am abendlichen Himmel den Verlauf des zunehmenden Mondes und seiner Nähe zur Venus als Abendstern. So ein Lockdown hat auch etwas Positives für Pflanzen, Tiere und uns Menschen.

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