Weihnachten in Thailand – eine Herausforderung

Dieser Artikel von mir erschien in der Weihnachtsausgabe der deutschsprachigen Zeitschrift “Farang” in Thailand.

Weihnachten letztes Jahr verbrachten wir Corona-bedingt in unserer Wohnung in München. Nach Jahren stand wieder ein echter Weihnachtsbaum im Zimmer mit elektrischen Kerzen, geschmückt mit bunten Glaskugeln, Glasvögeln und anderem Glitzerbehang. Die Gottesdienstangebote waren so eingeschränkt, dass wir lieber zu Hause blieben. Für mich das erste Mal seit Jahrzehnten, dass ich keine Gottesdienste hielt oder live besuchte. Wir klickten uns in den Zoom-Gottesdienst aus Delhi ein.

„Holy Night“ versus „Gift Fest”

Weihnachten in Thailand ist eine besondere Herausforderung. Wer in Bangkok, Pattaya oder Chiang Mai lebt, wird durch mächtige Weihnachtsbäume vor den Einkaufszentren auch in buddhistischer Umgebung an das christliche Fest erinnert. In einem Supermarkt hörte ich sogar “Silent night, holy night” hinschmelzend gesungen. Am Lichterbaum vor dem Terminal 21 in Pattaya hängt ein Schild: „GiftFest 2022“. Hier hat die Werbeabteilung den Nagel auf den Kopf getroffen: Weihnachten ist zum größten Fest der Geschenke avanciert. Würden nicht sogar Thais vor allem in der Vorweihnachtszeit in Konsumgüter investieren, dann wäre Weihnachten auch hier vergessen.

Im buddhistischen Thailand wird jedoch krasser deutlich, was für Feste in allen Religionen und Kulturen gilt: Werden die Feste nicht gefeiert, verschwinden sie aus dem kulturellen Gedächtnis. Kennen wir nicht mehr den Sinn des Festes, feiern wir es nicht mehr. Will ich Weihnachten als christliches Fest entdecken und feiern, dann brauche ich dazu bestimmte Voraussetzungen.

Weihnachten ist ein Familienfest

Feiern geht nur gemeinsam. Weihnachten ist ein Familienfest. Wenn ich aber in Thailand keine Familie habe, die mitfeiert? Dann bieten sich unsere deutschsprachigen Gemeinden an mit ihren Gottesdiensten und im Begegnungszentrum in Pattaya mit der anschließenden Weihnachtsfeier nach der Christvesper. Das gemeinsame Essen stärkt die Verbundenheit. Diesmal gibt es in Pattaya zwei klassische Heiligabend-Gerichte: Würstchen mit Kartoffelsalat und Linsensuppe. Gemeinsam singen wir Weihnachtslieder, die jeder von Kind auf kennt. Das ist nicht nur etwas fürs Gefühl. Da kommen wir auch der Kernaussage des Festes näher: „Christ, der Retter, ist da!“ singen die Engel im Lied „Stille Nacht“.

Wir beschenken uns gegenseitig. Wir geben die Geschenke nicht direkt in die Hand. Sie liegen unterm Christbaum. Wir müssen uns bücken und danach suchen. Das hat seinen Grund. Der Reformator Martin Luther setzte den Impuls, dass nicht Nikolaus, sondern das Christkind die Geschenke bringt. Gott hat uns in seinem Sohn Jesus Christus zuerst beschenkt. Und weil Jesus arm und klein im Stall in einer Krippe liegt, muss man sich bücken, um ihn in der Weihnachtskrippe unter dem Christbaum zu erkennen.

Krippendarstellung im Thai-Stil

Eine besondere Herausforderung ist die Frage: Wie kann ich meinen thailändischen Liebsten Weihnachten erklären? Vielleicht hilft dazu das Bild einer Krippendarstellung im Thai-Stil in unserem Gemeindesaal. Auf einer Insel liegt ein Baby auf Stroh, in weiß mit einem Heiligenschein: der kleine Jesus. Ein königliches Kind, denn ein Schirm wird über ihn gehalten. Keine sieben Schirme, nur einer. Das königliche Kind gibt sich bescheiden. Maria links und Josef rechts haben würdevolle Kopfbedeckungen. Drei Könige bringen Geschenke und verehren Jesus als ihren König. Darüber schweben fünf Engel, göttliche Thevada-Wesen. In ihrer Mitte der vielzackige Stern. Er weist den Königen und auch uns den Weg zu dem, der eine große Zukunft verheißt: ein Herrscher, der uns Gerechtigkeit und Frieden bringt, der uns mit der spirituellen Welt versöhnt, wenn wir ihn aufnehmen in unser Leben.

Ein Kommentar

  1. Wir packen die Krippenfiguren vorsichtig wieder ein. Der Stern von Bethlehem, das Licht geht mit ins Neue Jahr 2023. Es scheint, bescheint uns liebevoll. Danke!

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